Lily Franz
Ich möchte eigentlich noch der Mund sein, der sprechen kann für alle Toten, die dort geblieben sind. Dass die Welt auch noch begreift und weiß, was mit uns passiert ist.
Die das sagt, ist eine Dame. Klug, belesen, charmant. Wenn Lily van Angeren deutsch spricht, dann mit einem niederländischen Akzent. Sie lebt seit Kriegsende in Holland, wollte nicht mehr im Land der Täter sein. Es war nicht mehr ihre Heimat, denn die Nationalsozialisten hatten fast alle ihre Angehörigen ermordet. Weil sie der Minderheit der Sinti angehörten.
Im Frühjahr 1943 wurde Lily van Angeren mit ihrer Familie in das Zigeunerlager, einem abgetrennten Bereich des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau deportiert. Und mit ihnen etwa 40.000 andere deutsche Sinti. Die meisten hatten zuvor ein ganz normales Leben geführt, wie andere Deutsche auch. 1933 konnte niemand von ihnen ahnen, was kommen würde und manche waren in der Hitlerjugend, dem Bund Deutscher Mädel und ab 1939 kämpften viele der Väter in der Wehrmacht. Und doch begann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten der Prozess der rassischen Ausgrenzung, Verfolgung und schließlich Vernichtung der deutschen Sinti


